Neunter Bericht 2011
 
 
Eisenerztagebau, unterirdisches Kraftwerk, Black Flies und Eisberge
 
Wir warten auf die Fähre, die uns von Labrador nach Newfoundland bringen wird, hoffentlich ohne auf einen Eisberg zu fahren. Die Strecke durch Labrador war mal wieder eine echte Abenteuertour, wobei die Landschaft das am wenigsten Spektakuläre ist: Flüsse, Seen, ein paar Hügel und jede Menge Bäume, meist die mickrigen Pfeifenputzertannen, die wir schon letztes Jahr im Norden sahen. Da erstaunt es nicht, dass sie, wohl in der Hoffnung auf einen anständigen Weihnachtsbaum, ihre Hymne zur Melodie von "O, Tannenbaum" singen. Kein Scherz!
 
Aber ein bisschen der Reihe nach:
Noch eine Tagesreise lang haben wir die schönen Aussichten auf den Sankt Lorenz Strom genossen, mit hübschen kleinen Orten, dann bogen wir links ab (nach Norden) um nach Labrador zu fahren. Durch kanadatypische Landschaft ging es vorbei an vier großen Staudämmen mit entsprechenden Kraftwerken. Das riesigste und letzte an der asphaltierten Straße ist Manic Cinque. (Manic 4 scheint nach der Planung irgendwie verloren gegangen zu sein, es fehlt jedenfalls.) An dem gigantischen Damm beginnt die Schotterpiste mit durchgeschütteltem Geschirr und Knochen und Staub überall. Für uns begann hier auch das echte Campen, d.h. ohne Campingplätze. Die gibt es auf der weiteren Strecke eh fast nicht. Bisher hatten wir, eingeschüchtert von den US-Amerikanern, die "Landstreicherei" - und dazu zählen sie wildes campen- verbieten, fast immer auf ordentlichen Campgrounds die Nächte verbracht. Diesmal sind wir in den Städten ja schon auf große Parkplätze ausgewichen und nun stehen wir, wo immer wir es schön und die lokalen Menschen es in Ordnung finden. Da hier in dieser einsamen Gegend selten Touristen vorbei kommen, sind wir mit zwei Wohnmobilen natürlich gleich die Sensation. Sobald wir halten, kommen Leute, um unsere Sticker auf der Beifahrerseite zu bewundern, die wir seit letztem Jahr sammeln und die zeigen, wo wir schon überall waren. Schon ist man im Gespräch. So haben wir an sehr schönen Orten in Labrador genächtigt und viele Menschen kennen gelernt. Ganz Labrador ist allerdings sehr dünn besiedelt insbesondere das Landesinnere ist eher menschenleer. Dafür gibt es Millionen Black Flies, winzige schwarze Fliegen, die nur darauf warten, einem Warmblüter zu begegnen und sich auf uns stürzen um uns zu "beissen". Mit Vorliebe setzen sie sich an den Haaransatz oder an Wirbeln auf den Kopf. Letztes Jahr haben wir Mücken für eine Plage gehalten, glaubt mir, Black Flies sind übler.
 
An der Grenze zwischen dem nördlichen Quebec und Labrador wird Eisenerz im Tagebau abgebaut und dann per Eisenbahn an den Sankt Lorenz transportiert. An riesigen Mienen kamen wir vorbei, die sehen zwar imposant aber alles andere als hübsch aus. Die Gewässer drumherum schillern in allen denkbaren Orangetönen. Die Menschen, die in diesen Minen arbeiten wohnen in Fermont (!) und Labrador City, zwei Orte, die fast komplett dem Betreiber gehören und sehr trist aussehen.
 
Als nächstes kamen wir nach Churchill Falls. Auch dies ist ein Firmenort, alle Häuser, Läden etc. gehören dem örtlichen Kraftwerksbetreiber, was allerdings die Provinz Labrador ist. Wer aufhört, für das Kraftwerk zu arbeiten bzw. in Rente geht, muß wegziehen. Gut, so richtig lauschig ist es hier sowieso nicht. Dieses Wasserkraftwerk ist aber sehr eindrucksvoll. Es fängt schon damit an, dass sie extra Menschen  anstellen, die interessierte Besucher herumführen. So bekamen wir vier eine eigene Führung. Sie nutzen ein riesiges Seengebiet als Reservoir. Sie mussten nur an wenigen Stellen kleine Wehre für die Regulierung des Wasserzuflusses und an anderen niedrige Dämme errichten. Allerdings sind die früheren Wasserfälle jetzt nur noch ein Rinnsal. Auch am eigentlichen Wassereinlass für das Kraftwerk ist oberirdisch nur ein niedriger Damm zu sehen. Der Clou ist, dass sie das Kraftwerk per Tunnelbau in den Berg gelegt haben. Durch 11 Röhren strömt das Wasser nach unten durch die Turbinen und fließt etwas unterhalb der alten Churchill Falls wieder in den Fluss. Dieses Kraftwerk hat eine Leistung von 5500 Megawatt. Unsere "Atomkraft nein danke" Sticker waren hier sehr willkommen.
Mitten in Labrador liegt Goose Bay mit einigen kleineren Orten drumherum. Von hier kann man per Boot weiter an die nördliche oder südliche Küste fahren. Gen Norden gibt es immer noch keine Alternative aber nach Süden haben sie letztes Jahr die Verbindungspiste eröffnet. Hier haben wir in einem kleinen Ort direkt am Lake Melville gecampt. Hier habe ich auch die alte Nähmaschine dem kleinen Museum übergeben. Die haben sich gefreut und wir sind meinen Fehlkauf (siehe letzter Bericht) los. Außerdem haben wir Maple Syrup und ein Abendessen gegen einen Lachs und viele alte Geschichten über den Ort und seine Bewohner getauscht.
Am nächsten Tag kamen wir über die neue Schotterstraße das erste Mal mit Casita an den Atlantik, in dem zum Teil große Eisberge treiben. An der Küste Labradors liegen viele kleine Fischerdörfer. Auch die Basken haben hier schon im 16. Jahrhundert Wale gefangen und verarbeitet. Manche Dörfer sind inzwischen aufgegeben worden, aber in vielen fischen die Leute auch heute noch. Außer Kabeljau und Heilbutt gibt es hauptsächlich Shrimps (die kleinere Sorte) und ein Zwischending zwischen unseren Taschenkrebsen und Seespinnen. Bei der ersten Gelegenheit haben wir in der Fischfabrik natürlich gleich gut eingekauft. Alles sehr köstlich!
 
Freitag kamen wir in ein Dorf, in dem sie gerade das jährliche Krabbenfest feierten. Die Gelegenheit haben wir uns nicht entgehen lassen. Bei der Eröffnung wurden die besten Krabbengerichte prämiert und anschließend das riesige Krabbenbuffet von den Gästen ausgiebig getestet. Von den örtlichen Köchinnen kann man noch was lernen! Danach ging es auf den Booten der Fischereiflotte, die mit bunten Lämpchen und Wimpeln geschmückt waren, ein Stückchen raus in die Bucht zur Segnung der Boote. Gäste waren auch hier willkommen, also sind wir auf einem Shrimpfischer mitgefahren. Ein kleines Feuerwerk schloss den offiziellen Teil des Abends ab, aber wir wurden noch von einem Pärchen in ihr liebevoll restauriertes altes Haus auf ein Bier eingeladen. Das Häuschen steht etwas schief auf einem Felsen, was dem Ganzen zusätzlich Charme verleiht, braten in einer Pfanne aber vielleicht erschwert. Der üppig blühende Garten wird mit ausgekochten Fischköpfen gedüngt!
 
 
Sonntag, 7. August 2011