Sechster Bericht 2011
 
 
Geschichte a la Disneyland
 
Unglaublich, wir haben heute den 5. Sonnentag in Folge und es ist warm! Vorher wurde mit reichlich Regen oder "wenigstens" bedecktem Himmel und lausigen Temperaturen unser Gefühl, es könnte Sommer sein, gut unterm Deckel gehalten.
Die Großen Seen, und zwar den Lake Superior erreichten wir bei Thunder Bay, mal wieder eine enttäuschende nordamerikanische Stadt. Großartig sind hier nur die vielen Getreidespeicher. Wenn sich einer von denen entzündet und in die Luft fliegt, donnert es wohl auch gewaltig.
 
Sehenswert ist allerdings Fort William, die rekonstruierte Haupthandelsstation der North West Companie (NWC), der Konkurrentin der Hudson Bay Companie, wo Anfang des 19. Jh. jedes Jahr im Juli 800 Voyajeurs aus dem ganzen Nordwesten zusammenkamen. Voyajeurs, hauptsächlich französischer Herkunft, lebten zunächst selbst als Trapper. Später waren sie mehr Zwischenhändler für die NWC und die Indianer, mit denen sie auch zusammenlebten, und Transporteure der Waren. Transportmittel waren Kanus aus Birkenrinde, mit denen die aus dem hohen Norden zweienhalb Monate paddelten, ehe sie Fort William erreichten.
 
All dies wird nicht in einer drögen Ausstellung vermittelt sondern sehr anschaulich gemacht durch Darsteller, die sich in den voll ausgestatteten   Gebäuden bewegen, als lebten sie dort und wir hätten 1815. Unsere Führerin spielte die Rolle der indianischen Frau eines der Partner der NWC durchgängig sehr gut. Uns begrüßte sie als recht früh im Jahr angekommene Voyajeure. Deswegen sei auch im Fort noch nicht so viel los. Das Gros erwarten sie erst im Juli zum Grand Rendevous.
 
Das ist zwar alles ein bisschen wie Disneyland aber dieser amerikanische Ansatz, Geschichte zu vermitteln, funktioniert ganz gut. Wahrscheinlich sind die Ideen für Disneyland gar nicht so einzigartig. Es ist nur für die meisten Europäer das einzige Beispiel einer perfekt organisierten fiktionalen Welt, das wir kennen.
 
Ein paar (Regen-) Tage später erreichten wir den Zusammenfluss des Lake Superior mit dem Lake Michigan und dem Lake Huron. An dieser strategisch wichtigen Stelle liegt wieder ein Fort auf der kleinen Insel Mackinac. Unsere kanadischen Freunde hatten uns einen Besuch dort sehr empfohlen auch wegen der bewegten Geschichte, die das Inselchen im 18. und 19. Jh im ständigen Kampf zwischen Amerikanern und Briten erlebt hat. Jetzt gehört Mackinac Island den Amis und folglich mussten wir noch einmal einreisen. Es war Samstag und über die International Bridge staute sich der Einreiseverkehr in beiden Richtungen mächtig. Am nächsten Morgen setzten wir bei strahlendem Sonnenschein mit der Fähre auf die Insel über und waren in einer anderen Welt. Nachdem die Bewohner zunächst vom Pelzhandel und später vom Fischfang gelebt hatten, beides gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts nicht mehr florierte, andererseits die Menschen anfingen, zum Vergnügen herum zu reisen, kamen einige sehr schlaue Pferdekutschenbesitzer auf die gute Idee, keinerlei Motorfahrzeuge auf die Insel zu lassen. So kann man bis heute hier prima Kutsche  oder Fahrrad fahren oder zu Fuß laufen. Das Straßenbild des kleinen Ortes prägen die Pferdekutschen. Die Häuserfassaden unterstützen den Eindruck, hier sei die Zeit 1860 stehen geblieben. Von vielen Stellen hat man einen traumhaften Ausblick auf den See, den kleinen Hafen mit seinen Leuchttürmen...... Und zur Zeit blüht überall der Flieder und duftet. Sehr schön! Im Fort gibt es wieder anschauliche Geschichte wie oben.
 
 
Donnerstag, 16. Juni 2011